Sontheim Short Cuts – Zwangsexil zwischen Tradition und Zweckbau
Architektur und Alltag zwischen Kurzzeitpflege, Dorftristesse und einer strapaziösen Bahnverbindung.
Sontheim an der Brenz wirkt auf den ersten Blick wie ein unscheinbares, bäuerlich geprägtes Dorf – ein Ort, den man architektonisch vielleicht übersehen würde. Doch für meine Mutter und mich wurde er zum unfreiwilligen „Kurzzeitpflege“-Exil, zu einem regelrechten Horrortrip: fern der vertrauten Umgebung, in einer ASB-Wohngemeinschaft, die eher an kühlen Zweckbau erinnert als an ein Zuhause.
Auch für mich selbst ist dieser Ort zu einem täglichen Ziel geworden – erzwungen durch die Umstände. Die Anreise mit der Bahn gleicht einer permanenten Prüfung: Zunächst fünf Minuten Verspätung wegen Gegenzug und eingleisiger Strecke, bald zehn, schließlich fünfzehn Minuten nutzloses Warten. Kurz vor der Einfahrt dann noch die Ansage zum Gleiswechsel – hinunter durch die betonierte Unterführung, dreißig Stufen hinab und wieder hinauf, mit Fahrrad, im Alter von 68 Jahren. Ein unfreiwilliges Fitnessprogramm, das sich Tag für Tag wiederholt.
Mit meinen Fotografien dokumentiere ich die Architektur und Atmosphäre dieses Ortes: die nüchternen Pflegebauten, das ländliche Dorfgefüge und die Schatten der Kühltürme in der Ferne. So wird Sontheim für mich nicht nur zu einem fotografischen Thema, sondern auch zu einem Sinnbild für den Verlust von Selbstbestimmung und die Bürde einer von außen verordneten Fremdheit.